Frau T. hat einen Hirntumor. Sie kann nicht mehr gehen, die Worte verschwinden auch so langsam, aber zusammen versuchen wir bei unseren Treffen so viel Positives wie möglich zu erleben. Wobei auch bei jedem Treffen die Ängste an die Oberfläche kommen, die Tränen ihren Weg finden, dann aber die Tätigkeiten wieder Oberhand gewinnen.

Frau T. ist vor kurzem in Rente gegangen. Sie hat sich vor ihrem Ruhestand eine neue Nähmaschine gekauft, die sie nun tüchtig ausprobieren wollte. Aber es geht nicht mehr.

So bittet sie mich, doch auf ihrer Nähmaschine zu nähen. Damit könnte ich ihr eine große Freude machen. Ich nehme die Bedienungsanleitung mit nach Hause. Beim nächsten Treffen will ich Probenähen.

Ich lasse Frau T. Stoff aussuchen, gemeinsam drehen wir eine Kordel, und ehe wir uns versehen, ist ein Beutel für Utensilien fertig. Und was nähen wir nun? Frau T. möchte gern einen Loop haben, und ihr Mann wünscht sich eine Tasche für den Rollstuhl.

Frau T. fordert ihren Mann: sie möchte unbedingt in ein Stoffgeschäft. Dort kaufen sie einen wunderbar bunten Stoff mit blühenden Blumen. Diese Aktion kostet ihren Mann viele Stunden: anziehen, Rollstuhl bis in die Stadt schieben und zurück. Beide sind erschöpft – und glücklich.

Die Rollstuhltasche wird ein farblicher Hingucker. Als Frau T. im Hospiz in Braunschweig wohnt und ihr Mann Ausflüge mit ihr in die Stadt macht, werden sie oft auf die Tasche angesprochen. Davon erzählt mir Frau T., wenn ich sie besuche.

Frau T. ist gestorben. Ihr Mann ruft mich an, während er noch bei seiner Frau sitzt. Er berichtet, wie sanft alle mit ihm umgegangen sind, wie viel Zeit er für den Abschied hatte. Das Personal hätte seine Frau so schön hergerichtet – und übrigens: Sie trägt den Loop, der steht ihr wirklich gut.

Helga Hoffmann