Seit Wochen betreute ich Frau T., erst zu Hause und, als es dort nicht mehr ging, im Hospiz in Braunschweig. Ihr Mann rief mich an und bat um einen weiteren Besuch. Nach dem Verlust der Bewegung, dem Verlust der Sprache war nun auch ihr Augenlicht verloren.

Das traf mich schwer, ich fühlte mich hilflos und unsicher.

Zu Beginn der Begleitung hatte mir Frau T. voller Stolz ihren Garten gezeigt. So kamen mir meine Gartenkräuter in den Sinn. Ich pflückte einen gemischten Strauß mit Thymian, Bohnenkraut, Rosmarin, Estragon, Zitronenmelisse, Salbei und Oregano.

Eine Hospizfreundin gab mir schließlich den Tipp, Frau T. etwas vorzulesen. Aber welche Geschichte passte in dieser schwierigen Situation? Da fiel mir ein, dass Frau T. sich so sehr über den Maulwurf in ihrem Garten geärgert hatte. In dem Buch „Wirklich wahre Weihnachtsgeschichten“ von Margret und Rolf Rettich fand ich schließlich eine Maulwurfgeschichte.

So vorbereitet wagte ich meinen nächsten Besuch.

Der Kräuterduft strömte durch das ganze Zimmer. Frau T.  ließ den Strauß nicht aus den Händen; sie musste immer wieder daran riechen. Schöne Erinnerungen zeichneten ein zufriedenes Lächeln auf ihr Gesicht. Als ich ihr die Geschichte vom Maulwurffangen vorlas, hörte sie aufmerksam zu. An einigen Stellen lachte sie laut auf und kam aus dem Schmunzeln nicht heraus.

Meine Angst? Verschwunden.

Helga Hoffmann