Das Podium unter Leitung von Armin Maus (Chefredakteur Braunschweiger Zeitung). Weiter von links: Pastor Volkmar Schmuck (Klinik-Seelsorger), Dr. Cornelia Axmann (Ärztin und Transplantationsbeauftragte), Ulrich Kreutzberg (Hospizarbeit Braunschweig), Karl Möller (Psychologe und Lebendspender)

 

„Wie finde ich zu (m)einer Position?“, so hat der Hospizverein Wolfenbüttel als Veranstalter die Podiumsdiskussion am 24. September überschrieben. Nur wenige der 100 Stühle im Ratssaal waren frei, als Ulrike Jürgens, Vorstandsmitglied des Hospizvereins, den Abend eröffnete: „Auch wenn wir es gerne verdrängen: Wir wissen, wie wichtig es ist, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinander zu setzen. Dazu gehört auch, eine Position zu finden zum Thema Organspende. Es geht uns nicht darum, Sie in eine bestimmte Richtung zu drängen. Ob Sie Organe oder Gewebe spenden möchten, ist allein Ihre persönliche Entscheidung. Es sollte aber eine sachlich fundierte Entscheidung sein. Dazu möchten wir mit dieser Veranstaltung beitragen.“

Erfreulich viele Anwesende machten von der Möglichkeit, sich mit Fragen und Beiträgen in die Diskussion einzuschalten, regen Gebrauch. Mit ihren unterschiedlichen Perspektiven trugen sie dazu bei, dass viele nach über zwei spannenden Stunden mit neuen Erkenntnissen nach Hause gingen.

So kommen für eine Organspende nur Menschen in Frage, bei denen die Hirnfunktionen unumkehrbar (aufgrund eines Unfalls oder einer schweren Hirnschädigung) vor dem Herzstillstand ausfallen. Das waren 2018 bundesweit von insgesamt ca. 900.000 Todesfällen nur 1.416 Menschen.

Zwei Drittel dieser 1.416 potentiellen Spender haben Organe gespendet (aufgrund einer schriftlichen Erklärung, z.B. im Organspendeausweis, oder durch Entscheidung der Angehörigen über ihren mutmaßlichen Willen). Von diesen 955 Organspendern wurden 2018 insgesamt 3.113 Organe transplantiert.

Von den 1.416 potentiellen Spendern wären aus medizinischer Sicht zusätzlich 340 Spender in Frage gekommen, für die keine Zustimmung zur Organentnahme vorlag. Unterstellt, dass man jedem dieser Spender durchschnittlich drei Organe hätte entnehmen können: In Summe hätten bei hundertprozentiger Zustimmung aller potentiellen Spender nur gut 40 % der ca. 10.000 Menschen auf der Warteliste eine realistische Chance auf ein Spenderorgan.

Spenderorgane müssen bis zur Entnahme durchblutet sein, d. h. in Konsequenz: Die Spender müssen bis zur Organentnahme intensivmedizinisch behandelt werden. Für die Angehörigen ist es sehr schwer, sich von einem geliebten Menschen zu verabschieden, der beatmet wird und durchblutet ist, nach ihrer Wahrnehmung also noch lebt.

Dass alle Hirnfunktionen unumkehrbar ausgefallen sind, muss von zwei Medizinern unabhängig voneinander festgestellt werden. Es handelt sich bei diesem als „Hirntod“ beschriebenen Zustand um eine Setzung der Medizin, die einen Teil des Sterbeprozesses beschreibt und von vielen – auch von Diskussionsteilnehmern im Plenum – kritisch gesehen wird.

Wer in seiner Patientenverfügung erklärt, möglichst zu Hause und ohne intensivmedizinische Maßnahmen sterben zu wollen, kann keine Organe spenden, auch wenn er sich schriftlich für eine Organspende entschieden hat. Für den Fall, dass ein Klinikaufenthalt notwendig wird und hier der unumkehrbare Ausfall aller Hirnfunktionen festgestellt wird, wird dann eine Ergänzung in der Patientenverfügung empfohlen, die der Willensbekundung zur Organspende Vorrang einräumt.

Gewebe können im Unterschied zu Organen noch bis zu 72 Stunden nach Eintritt des Herztodes entnommen werden. Gewebe wird z. B. genutzt für Übertragungen von Augenhornhaut, Herzklappen, Blutgefäßen, Knochen, Knorpel, Sehnen, Bändern, Haut… Die Bereitschaft zur Gewebespende kann unabhängig von der Organspende im Organspendeausweis mit Ja oder Nein ausgewiesen werden.

Fazit: Unabhängig von der aktuellen politischen Diskussion sollte jeder von seinem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen. Der Organspendeausweis sieht nicht nur ein „Ja“ vor, sondern ebenso ein „Nein“, dazu die Unterscheidung zwischen Organen und Gewebe und auch die Ausnahme von Organen. Und was während der Diskussion immer wieder durchschien: Man sollte seine Entscheidung unbedingt mit seinen Nächsten besprechen.

Ulrike Jürgens

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