Thomas Pohle vom Wunderland-Theater lässt den Großvater in seinen Erzählungen und Liedern lebendig werden.

 

Freitagmorgen in der Grundschule Harztorwall. Für die Kinder der 3. und 4. Klassen ein besonderer Tag: Theater-Tag. Vor dem Eingang steht ein roter „Bus“: Wunderland-Theater, Kennzeichen RZ (für Ratzeburg). Das macht neugierig.

In der Aula ist vor der Orgel eine Bühne aufgebaut. Fünf Stunden war Thomas Pohle damit beschäftigt. Als Leiter des Kindertheaters ist er Drehbuchautor, Bühnenbildner, Beleuchter, Schauspieler in einem.

Von Beginn an nimmt Pohle die Kinder gefangen: „Manchmal ist es gut, wenn man eine Taschenlampe hat. Zum Beispiel, wenn man auf dem Dachboden etwas sucht.“ In der abgedunkelten Aula hebt sich der Vorhang, und nach und nach leuchtet der Schauspieler die Gegenstände aus: eine große Seemannskiste, Fischernetze und vieles mehr. Und dann beginnt er von seinem Großvater zu erzählen, die Geschichten, die Großvater ihm und seinen Geschwistern erzählt hat: Geschichten von seinen vielen Reisen: ernste, lustige, spannende – wie das in einem langen Leben ist. Das Stück endet mit einem Brief des Großvaters an seine Enkel: Er ist zu einer langen Reise aufgebrochen…

Applaus. Die Kinder sind begeistert. Und dann schnellen die Finger in die Höhe. Sie dürfen dem Schauspieler Fragen stellen: Warum er das Stück alleine spielt? Ob er von seinem eigenen Großvater erzählt hat? Wie lange er auswendig lernen musste? Wie er das mit der Beleuchtung gemacht hat? … Der Tod des Großvaters ist so natürlich, dass er gar nicht besonders thematisiert wird. Geschickt lenkt Pohle das Gespräch auf die letzte Reise und auf die Erkenntnis: „Der Großvater lebt weiter – in den Geschichten und Liedern, an die wir uns erinnern.“ Schulleiterin Birgit Oppermann ergänzt: „… und in unseren Herzen.“

Als der Hospizverein ihrer Schule dieses Theaterstück vor einigen Monaten anbot*, hat sie nicht gezögert. Sie ist mit dem Hospizverein überzeugt, dass Sterben, Tod und Trauer zum Leben gehören und im Unterricht ebenso ein Thema sein sollten wie das Geboren-Werden. Sie weiß aber auch, dass diese Themen von vielen Erwachsenen verdrängt werden – aus Unsicherheit, aus eigener emotionaler Betroffenheit oder auch aus vermeintlichem Schutz der Kinder vor diesen Themen.

Nach der Abstimmung mit dem Schulelternrat, nach dem zustimmenden Verlauf des Elternabends am Tag zuvor und nach der Reaktion der Kinder kann die Schulleiterin ein positives Resümee ziehen: „Wir sollten das wiederholen, vielleicht sogar in einem größeren Rahmen, damit alle interessierten Schulen daran teilnehmen können.“

* Die Finanzierung erfolgte über Mittel aus der diesjährigen Förderung des Landes Niedersachsen für Trauerarbeit.

Ulrike Jürgens

Schaufenster Wolfenbüttel: Schüler setzen sich mit Abschied, Tod und Trauer auseinander
Wolfenbütteler Zeitung 30.11.2019: Was ist, wenn Großvater stirbt?
Schaufenster Wolfenbüttel 01.12.2019: Großvater lebt weiter in seinen Geschichten und Liedern
Wolfenbütteler Zeitung 02.12.2019: Hospizverein will Kindern das Thema Tod näher bringen