Für jeden Menschen, den die Ehrenamtlichen in diesem Jahr begleitet haben, ein Licht

 

Ich gehe gern zu den monatlichen Treffen für uns Sterbebegleiterinnen. Mal steht ein Fortbildungsthema auf dem Programm, mal geht es mehr um Austausch. Seit März habe ich viele Ehrenamtliche nicht mehr gesehen. Manchmal musste ein Termin abgesagt werden. Einige Male konnte er nur nach vorheriger Anmeldung mit wenigen Teilnehmerinnen stattfinden. Das war auch im Dezember so.

Diesmal kann ich an der kleinen Runde teilnehmen. Unsere Koordinatorinnen haben den Raum liebevoll hergerichtet. Neben wunderbar duftendem „Kinder“-Punsch gibt es köstlichen Kuchen aus Tatianas Backstube.

Zur Einstimmung liest Sonja eine Geschichte vor. Dann entzündet sie in einer großen Glasschale Teelichter, eins nach dem anderen, insgesamt 56. Jedes Licht steht für einen Menschen, den wir in diesem Jahr bis zu seinem Lebensende begleitet haben. Die Koordinatorinnen lesen abwechselnd die Namen vor: „Wir erinnern uns an…“

Ich habe in diesem Jahr nur zwei Menschen begleiten dürfen. Zu Marianne L. bin ich fast vier Monate gegangen. Einmal in der Woche habe ich sie besucht. Regelmäßig haben wir uns zwei Stunden lang unterhalten, manchmal auch länger, bis der Pflegedienst kam und ich Platz machen musste. Sie erzählte gern und war immer auch interessiert an dem, was ich so machte.

Die Tochter wohnte mit ihrer Familie nebenan. Sie verwöhnte uns regelmäßig mit Kaffee (und viel zu oft auch mit Kuchen). Auch wir erzählten und wurden vertraut miteinander. Die Mutter ist nun schon sechs Monate tot. Die Tochter und ich haben immer noch Kontakt. Ich bin sicher, die Verbundenheit wird bleiben.

Die Begleitung von Petra B. habe ich erst wenige Wochen vor ihrem Tod übernommen. Nur ein einziges Mal konnte ich sie unter Corona-Bedingungen für eine halbe Stunde im Klinikum Celler Straße besuchen. Da kann von Kennenlernen keine Rede sein. In den wenigen nachfolgenden Telefonaten habe ich peu à peu begriffen, dass sie sich Sterbehilfe wünschte. Gern wäre ich in ihren letzten Wochen, Tagen, Stunden an ihrer Seite gewesen. Aber den Unterschied zwischen Sterbehilfe und hospizlicher Sterbebegleitung hat sie offenbar nicht verstanden.

Zwei Begleitungen von 56. Das Sterben ist so individuell wie das Leben.

Ulrike Jürgens