Seit letzter Woche führt mich meine Radtour wieder an meinen Lieblingsplatz. Das Ziel: das Storchennest in Hedeper.

Es ist ein besonderer Ort. Hinter einer Scheune steht eine Bank. Von hier habe ich einen wunderschönen Blick auf eine zauberhafte Landschaft. Unmittelbar vor mir fällt eine Böschung ungefähr zwei Meter ab. Dadurch habe ich selbst eine Sitzhöhe, die mir das Gefühl gibt, mit dem Storchennest fast auf Augenhöhe zu sein. Von hier aus kann ich die Störche beobachten, ich fühle mich ihnen ganz nah. Im Hintergrund das Bruch, der Fallstein und bei guter Sicht auch der Harz. Zu dieser Zeit, wenn alles noch in frischem Grün erstrahlt und die Rapsfelder blühen, zeigt sich die Natur in ihrer ganzen Fülle.

Beim Radfahren nehme ich all meine Gedanken an meine Begleitungen mit – an die Trauernden, die Sterbenden, an deren Angehörige. Oft versuche ich, durch Singen oder auch durch Lachyoga meine Sinne in andere Bahnen zu lenken. Wenn das nicht so gelingt – an meinem Lieblingsplatz gelingt es immer.

Hier herrscht das pure Leben. Die Storchenfrau sitzt und brütet. Nur ihr Kopf ist zu sehen. Die Spatzen fliegen ein und aus, sie sind sprichwörtlich Untermieter des großen Nestes und versorgen schon ihre Jungen. Plötzlich wird die Stille durch das Klappern des männlichen Storches durchbrochen. Er begrüßt seine Partnerin. Fünf Minuten sind sie gemeinsam im Nest. Dann erhebt sich die Storchenfrau und fliegt elegant davon. Jetzt ist der Storch für die Eier zuständig. Ich bin beeindruckt, wie vorsichtig er mit seinem langen Schnabel eins nach dem anderen wendet.

Ich genieße die Idylle. Meine Aufmerksamkeit gilt diesen natürlichen Abläufen. In mir macht sich Ruhe und Gelassenheit breit. Ich habe aufgetankt. Erfüllt von diesen Naturerlebnissen radle ich nach Hause. Mit den Gedanken noch beim Familienleben der Störche singe ich: Mit dem Klapperschnabel, horch, klappert laut der Klapperstorch…

Meine Energiestation ist wieder geladen – für die Besuche bei Menschen, die mich brauchen.

 

Helga Hoffmann