Als ich ankomme, herrscht in Trinitatis ein reges Treiben: Menschen, die sich einen Platz suchen oder noch letzte Gespräche vor dem Konzert führen.

Das Sinfonieorchester, geschätzt an die 60 Musiker, füllt den Altarraum und lässt Großartiges erwarten. Alle Instrumente sind dabei, viele sogar mehrfach besetzt.

Der Dirigent Martin Lill wird mit Applaus empfangen. In die folgende Stille bricht das Blech mit einem Crescendo, das mir unter die Haut fährt, gleich dreimal heftig. Dann geht es weiter: Pauken dazu, Bläser ohne Ende, ein intensiver Rausch, der von zarten Streichern weitergeführt wird. Die „Finlandia“ von Sibelius bereitet mir nicht nur eine Gänsehaut. Sie erzeugt in mir die Vorstellung von Weite, rauer Natur und Fantasiewesen – beste Filmmusik ohne Film.

Mozart ist für mich immer eine „sichere Bank“. Es wird mir gefallen. Aber was ich hier höre, übertrifft meine Erwartungen bei weitem. Das Orchester, zart und sensibel geführt, im Zusammenspiel mit Mert Yalniz am Flügel – ein Hochgenuss. Diese Interpretation des Klavierkonzertes empfinde ich als hoch emotional. Ich kann die Lebenslust und die Sorgen des Komponisten fast körperlich spüren. Der Applaus zur Pause zeigt mir, dass es auch anderen so ergangen ist.

Nun kommt schwere Kost, denke ich: Tschaikowsky, oha. Der erste Satz beginnt jedoch zart, leise und melodisch. Streicher und Bläser spielen sich zu Beginn die Bälle zu, bis es im Verlauf immer energischer wird. Die tänzerischen Elemente bleiben aber. Die Melodie des Waldhorns zu Beginn des zweiten Satzes ist zum Dahinschmelzen schön – wieder eine Gänsehaut. Ganz eingenebelt in diese Harmonien und sentimentalen Weisen werde ich jäh durch das Schicksal, das mit „Pauken und Trompeten“ daherkommt, zerfetzt. Martialisch beginnt der dritte Satz und wird dann ganz zart und leise zum Walzer der Lebensfreude – eine verrückte Idee. Der Satz geht traurig, durch später dazukommende Holzbläser, zu Ende. Das Finale gefällt mir nicht so gut. Ich empfinde es als zu „vollgepackt“, doch das schmälert meinen Genuss in keiner Weise. Eine Symphonie, in der ich Hell und Dunkel, Leichtigkeit und Schwermut, Lebensfreude und Zweifel –  dicht beieinander und in schöne Harmonien verpackt – wunderbar fühlen kann.

Herrlich auch, den Dirigenten zu beobachten: Er führt das Orchester mit anmutiger Leichtigkeit und bestimmenden Gesten durch die Noten, nie aufdringlich. Stets „auf den Punkt“ weist er die Musiker an und unterstützt.

Ein Konzert der Extraklasse mit einem begeisterten Schluss-Applaus.

Für mich ein emotionales Erlebnis erster Güte. Ich war noch den ganzen Abend berauscht. Welch ein Geschenk für Wolfenbüttel und den Hospizverein!

Text: Karoline Arnold

Fotos: Bernd Jürgens