Viele Jahre hatten wir eine wunderbare Nachbarschaft zu einem kinderlosen, älteren Ehepaar gleich nebenan. Oft gab es sogenannte „Zaungespräche“, und zu besonderen Anlässen auch mal eine Einladung zum Abendessen oder zu runden Geburtstagen.

Als unser Nachbar seine Frau verlor und Witwer wurde, habe ich diese gute Nachbarschaft weiter gepflegt und regelmäßig kleine Besuche gemacht. Für ihn war das immer etwas Besonderes: Tage mit Goldrand! Zur Feier des Tages holte er gerne Sekt und Orangensaft aus dem Keller. Und dann wurde erzählt…

Auch nach dem Tod seiner Ehefrau legte unser Nachbar großen Wert auf ein gepflegtes Zuhause. Zur Unterstützung hatte er eine Reinigungskraft und einen Gärtner. Er selbst dekorierte sein Haus je nach Jahreszeit liebevoll um.

In der Adventszeit baute er immer eine wunderschöne Holzkrippe auf. Ich bewunderte sie jedes Jahr aufs Neue, weil sie so schlicht, modern und geschmackvoll war. Alle Figuren waren aus verschiedenen Hölzern gedrechselt und ohne Gesichter. Ich brachte dann selbstgebackene Plätzchen mit, und er hatte Kaffee gekocht. So saßen wir bei Kerzenschein ein Stündchen zusammen.

2016, sechs Jahre nach dem Tod seiner Frau, starb unser lieber Nachbar mit 87 Jahren.

Bei der Beerdigungsfeier fragte mich eine nette Dame aus seinem engsten Freundeskreis, ob ich einen Wunsch hätte, irgend etwas aus der Haushaltsauflösung. Erst zögerte ich etwas, aber dann sagte ich ganz mutig: „Die Holzkrippe hat mir immer so gut gefallen.“

Nun steht die Krippe jedes Jahr in der Adventszeit auf meinem Vertiko. Seine Todesanzeige und ein Erinnerungsfoto von uns beiden habe ich dazugelegt. Die Krippe erinnert mich an unseren Nachbarn und die vielen guten Begegnungen. Darüber freue ich mich sehr.

Text und Foto: Eva-Christina Galanulis