Meine langjährige hochbetagte Nachbarin war nach einem Sturz vor der Haustür mit einem Oberschenkelhalsbruch ins Krankenhaus gekommen. Dort stellte man noch weitere ernste Erkrankungen fest. Nach Absprache mit Arzt und Ehemann durfte sie in ihr geliebtes Zuhause entlassen werden. In ihrem vertrauten Wohnzimmer wurde ein Pflegebett aufgestellt. So konnte sie ihre letzten Lebenswochen dort verbringen und gepflegt werden.

Als ich sie besuchte und wir noch miteinander sprechen konnten, hatte sie einen ganz besonderen, außergewöhnlichen Wunsch. Ihr Ehemann sollte für mich im altehrwürdigen Wäschehaus Langerfeld in Braunschweig schöne und hochwertige Stoffservietten besorgen.

Frau H. hatte immer eine gepflegte Tischkultur mit Tischdecken und gestärkten Stoffservietten. Als ich sie einmal darauf ansprach, sagte sie mit einem Augenzwinkern: „In einem guten Restaurant gibt es immer Stoffservietten.“ Wenn ich sie dagegen zum Essen einlud, musste ihr auffallen, dass ich nur Papierservietten benutze. In einer kinderreichen Familie ist das natürlich viel praktischer!

Auf ihren Wunsch hin kaufte der Ehemann für mich sechs wunderbare Stoffservietten aus edlem Damast. Hübsch eingepackt überreichte mir Frau H. dieses Päckchen. Ich war sehr gerührt.

Das ist nun schon viele Jahre her. Die Servietten halte ich in Ehren. Allerdings benutze ich sie in meinem Brotkörbchen, damit sie noch lange erhalten bleiben…
Immer wenn ich die Servietten in der Hand halte, denke ich an meine liebe Nachbarin. Und ich höre sie sagen: „In einem guten Restaurant gibt es immer Stoffservietten.“

Text und Foto: Eva-Christina Galanulis