Hospizarbeit – ob in einem stationären Hospiz oder ambulant – ist in unserer Gesellschaft keine Unbekannte mehr. Sie wird mitgetragen von ehrenamtlich tätigen Hospizhelferinnen und Hospizhelfern, die schwerstkranke und sterbende Menschen in ihren letzten Lebenstagen, Lebenswochen, manchmal auch Lebensmonaten begleiten. Ich bin einer der (leider nur ganz wenigen) Männer im ambulanten Hospizdienst. Und: Ich bin auch aktiv in der ambulanten Kinderhospizarbeit.

Bei meinem ersten Einsatz komme ich scheinbar in eine ganz normale Familie: Eltern, zwei Kinder. Eines ist krank – aber sonst? Die Eltern sind berufstätig zu sehr unterschiedlichen Tageszeiten. Das kranke Kind ist nicht sterbenskrank mit nur noch ganz kurzer Lebenserwartung, wie ich es aus der Begleitung von Erwachsenen kenne, aber lebensverkürzend erkrankt. Vielleicht noch einige wenige Jahre? Vielleicht auch nur noch Monate? Wer weiß das schon! Auch Ärztinnen und Ärzte wissen es nicht.

Der Ablauf in der Familie ist vorgegeben durch die Betreuung des kranken Kindes. Fahrten zu Ärztinnen/Ärzten, ins Krankenhaus, Gespräche mit Krankenkassen, Leistungsträgern, Pflegedienst, Sanitätshäusern…, Anträge stellen, verhandeln. Und daneben Haushalt, Familie und soziales Umfeld managen, sich dem gesunden Kind zuwenden, im Beruf die Anforderungen und Erwartungen erfüllen. Ein wahrlich volles Programm. Täglich!

Das gesunde Kind besucht die Grundschule, treibt Sport, besucht Arbeitsgemeinschaften, trifft Freundinnen und Freunde, möchte spielen, gern auch mit dem kranken Bruder, obwohl es weiß, dass es nicht möglich ist, nie möglich sein wird. Es wünscht sich und erwartet, dass sich die Eltern auch ihm zuwenden, da sind, wenn sie gebraucht werden.

Und die Eltern? Die unheilbare, unheilvolle Erkrankung des Kindes, ihres Wunschkindes, rüttelt an Grundfesten, die sie für unerschütterlich hielten.

Da bin ich nun. Wird das gut gehen? Passen wir zusammen? Ein gegenseitiges Grundvertrauen von Anfang an muss vorhanden sein, sonst wird die Begleitung nicht funktionieren. Wird mich das kranke Kind akzeptieren – und auch das Geschwisterkind? Was wird von mir erwartet?

Seit zehn Monaten bin ich nun zu den verabredeten Zeiten da. Verlässlichkeit ist wichtig. In dem Tagesablauf muss es Fixpunkte geben. Es kommt schon noch genügend Unvorhersehbares hinzu: Kann der Vater rechtzeitig von der Arbeit kommen, Einkäufe erledigen, Medikamente abholen?

Während ich da bin, kann sich die Mutter ihrem gesunden Kind zuwenden, Hausaufgaben betreuen, spielen. Sie hat auch die Chance, sich einfach einmal zurückzuziehen, ohne auf ihr krankes Kind achten zu müssen.

Alle können darauf vertrauen, dass jemand da ist. Jemand, der mit dem kranken Kind spricht, der ihm etwas vorliest, der versucht, es zu beruhigen, wenn es unruhig geworden ist, der sich bemüht, es zu trösten, wenn es weint, der ihm durch Nähe zeigt: Du bist nicht allein, wenn Mutter und Vater beschäftigt oder abwesend sind. Der außerdem auch den Eltern zuhört, mit ihnen spricht.

Der Einsatz erscheint komplexer, als es die Grundausbildung für die Begleitung von Kindern vermittelte. Mit jeder Begegnung mache ich neue Erfahrungen. Was erwartet mich, wenn ich wiederkomme?

Ist das ambulante Kinderhospizarbeit? Ja – auch! Sie ist fordernd und bereichernd. Weil das so ist, macht die Begleitung mir Freude.

Jörg Gerike

 

Der Tag der Kinderhospizarbeit am 10. Februar möchte bewusst machen: Es gibt auch Kinder mit einer nicht heilbaren Erkrankung und einer verkürzten Lebenserwartung. Und es gibt Hospizhelferinnen und Hospizhelfer, die diese Kinder und ihre Familien begleiten.