Ich begleite zwei Frauen in Gardessen, jeden Montag und jeden Freitag, seit vielen Monaten. Heute habe ich kein Auto, aber ich muss zur gewohnten Zeit in Gardessen sein. Verlässlichkeit ist unabdingbar in der hospizlichen Begleitung.

Es ist nicht so einfach, mit öffentlichen Verkehrsmitteln pünktlich dort zu sein. In Braunschweig muss ich zweimal umsteigen. Die letzte Etappe beginnt an der Helmstedter Straße. Der Bus steht schon da, aber der Fahrer öffnet erst in 20 Minuten, kurz vor der Abfahrt, die Türen. So setze ich mich im Wendekreis für Busse und Straßenbahnen auf eine Bank.

Aber wieso fahren hier auch Autos? Bei mancher Ampelschaltung biegen gleich mehrere hintereinander hier ein. Kennzeichen: BS, WF, PE, SZ, GF, LG… Es sind besondere Autos, die alle etwas Besonderes transportieren. Ihr Ziel: das Krematorium Braunschweiger Land.

Montags kommen wohl besonders viele Särge. Der Tod macht am Wochenende keine Pause. Hier kann jeder sehen: Der Tod gehört zum Leben. Aber ich bin wohl die Einzige, die die Autos wahrnimmt.

Gedankenverloren sehe ich ihnen nach. Wen bringen sie wohl? Ob Mann oder Frau, alt oder jung – sie alle haben eine Geschichte. Jeder Mensch war einmalig im Leben – und auch einmalig im Sterben. Sie alle hinterlassen Spuren – selbst in meinen Gedanken, obwohl ich niemanden von ihnen gekannt habe.

Der Busfahrer öffnet die Tür. Ich freue mich auf das Lächeln von Frau K., die schon auf mich warten wird.

 

Anmerkung: Was wir nicht kennen, macht uns Angst. Seit ich vor zwei Jahren das Krematorium besichtigt habe, habe ich eine andere Einstellung zu Bestattungen. Das Krematorium hat eine informative Website (www.krematorium-braunschweig.de) und bietet regelmäßig Führungen an. Der Tod gehört zum Leben!

 

Ulrike Jürgens