In den letzten Wochen wurde in verschiedenen Medien zu einer Ergänzung der Patientenverfügung geraten. Hierzu habe ich mit Ingrid Alsleben, Rechtsanwältin in Gifhorn, gesprochen.

Ulrike Jürgens: Frau Alsleben, benötige ich für die Covid-19-Erkrankung eine zusätzliche Erwähnung in meiner Patientenverfügung?

Ingrid Alsleben: Zur Beantwortung möchte ich in Erinnerung rufen, für welche zukünftige Situation eine Patientenverfügung verfasst wird: Sie gilt zunächst einmal nur dann, wenn Sie selbst nicht mehr entscheidungsfähig sind.

Ulrike Jürgens: Wenn ich also selbst noch „klar im Kopf“ bin, wird der Arzt oder die Ärztin mit mir über die Behandlung sprechen?

Ingrid Alsleben: Ja natürlich. Er oder sie wird Ihnen die Vor- und Nachteile z.B. auch einer Beatmung erläutern. Und SIE werden entscheiden. Nur wenn das nicht möglich ist, gelten die Festlegungen, die Sie in Ihrer Patientenverfügung getroffen haben. Dies aber auch nur dann, wenn Sie sich bereits unabwendbar im Sterbeprozess befinden oder an einer lebensbegrenzenden Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium leiden.

Ulrike Jürgens: Wenn ich also an Covid-19 erkrankt bin?

Ingrid Alsleben: Nein! Covid ist zunächst einmal keine lebensbegrenzende Erkrankung. Das sind nur solche Erkrankungen, die mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit zum Tod führen, z.B. eine weit fortgeschrittene Krebserkrankung.

Ulrike Jürgens: Aber es gibt doch die vielen Corona-Toten weltweit und viele schwere Verläufe…

Ingrid Alsleben: Das hängt offensichtlich in vielen Fällen mit Vorerkrankungen von Körperorganen zusammen. Covid selbst ist nicht von vornherein eine lebensbegrenzende Erkrankung – und von daher, um zu unserem Thema zurückzukommen, kein Fall für Ihre Patientenverfügung.

Ulrike Jürgens: Wenn ich also mit Covid eingeliefert werde, aber nicht mehr entscheidungsfähig bin…

Ingrid Alsleben: Dann wird man alles medizinisch Mögliche für Sie tun, Sie also auch beatmen. Schließlich gibt es berechtigte Hoffnung, dass Sie genesen. Nur falls Sie eine lebensbegrenzende Erkrankung haben oder sich bereits im Sterbeprozess befinden, gelten die Festlegungen Ihrer Patientenverfügung.

Ulrike Jürgens: Das heißt um zu unserer Ausgangsfrage zurückzukommen: Meine Patientenverfügung muss ich nicht um einen Corona-Passus ergänzen. – Vielen Dank für das Gespräch, Frau Alsleben.

 

Parallel zu dem Gespräch mit Frau Alsleben habe ich die Frage „Patientenverfügung im Widerspruch zur Covid-19-Behandlung?“ an das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung gerichtet. Trotz der angespannten Lage kam bereits zwei Tage später aus dem „Lagestab“ von Carola Reimann die Mitteilung, „dass grundsätzlich eine Änderung der Patientenverfügung aufgrund von Corona nicht erfolgen muss“. Allerdings wird daran erinnert, dass eine Patientenverfügung möglichst konkrete Formulierungen enthalten soll:
https://www.bmjv.de/DE/Themen/FokusThemen/Corona/Patientenverfügung/Corona_Patientenverfuegung_node.html

Der Hospizverein Wolfenbüttel e.V. bietet seit einigen Monaten eine Sprechstunde Patientenverfügung an. Hier können sich alle, die gerne eine Patientenverfügung verfassen möchten, informieren – und natürlich auch Menschen, die durch die aktuelle Diskussion verunsichert sind und ihre vorhandene Patientenverfügung überprüfen möchten. Eine kurzfristige Terminvergabe erfolgt über info@hospizverein-wf.de.

Ulrike Jürgens