Es ist schon wieder Herbst! Wie schnell doch die Zeit vergeht, denke ich. Der Sommer war heiß und trocken. Es hat kaum geregnet. Und doch entdecke ich überall vollhängende Apfelbäume in den Gärten oder am Straßenrand. Auch der Zwetschgenbaum in meinem Garten ist schwer beladen. Die Äste biegen sich unter der Last. Dicht an dicht – wie Weintrauben an der Rebe – hängen die Zwetschgen an den Zweigen. Da kann man sich nur wundern, wie tief die Wurzeln nach Wasser suchen können.

Ich backe viele Bleche Zwetschgenkuchen – als Vorrat für den bevorstehenden Winter. Dazu kommen viele Gläser aromatisches Zwetschgenmus.

Auf einem meiner Spaziergänge entdecke ich einen wunderschönen Birnbaum. Seine zahlreichen gelbgrünen Früchte leuchten mich an. Unweigerlich muss ich an das Gedicht von Theodor Fontane denken: „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland / ein Birnbaum in seinem Garten stand…“

Ich habe das Gedicht in der Schule auswendig gelernt. Später habe ich es meinen Kindern aus einem Bilderbuch vorgelesen. Ein schöner Gedanke, dass aus einer „Grabbeigabe“, der Birne, ein neuer Baum wächst. So bleibt etwas für die Nachwelt erhalten. Ein Stück Erinnerung an Herrn von Ribbeck…

Was für Erinnerungen aus meinem Leben bleiben der Nachwelt erhalten? Woran erinnern sich meine Kinder oder Enkelkinder später einmal? – So denke ich und gehe mit Schmunzeln nach Hause. Es müssen ja keine Birnen sein, Zwetschgen gehen auch! Vielleicht erinnern sie sich an Muttis und Omas Zwetschgenkuchen und Zwetschgenmus!

Eva-Christina Galanulis

 

Hier das Gedicht für diejenigen, die sich gern erinnern möchten:

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit

Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste ’ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb ’ne Birn.«

So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.

Er fühlte sein Ende. ’s war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu ’ne Beer?«

So klagten die Kinder. Das war nicht recht –
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn‘ ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung‘ übern Kirchhof her,
So flüstert’s im Baume: »Wiste ’ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew‘ di ’ne Birn.«

So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

Theodor Fontane (1819 – 1898)