Die Sonne scheint. Auf dem Dach des zukünftigen HospizZentrums hängt der Richtkranz. Die bunten Bänder wehen fröhlich im Wind.

Seit Anfang 2022 wird hier gebaut. Viele Firmen waren und sind beteiligt. Mit der Fertigstellung der drei schönen Gauben im Dachgeschoss ist der Rohbau abgeschlossen. Der Hospizverein Wolfenbüttel bedankt sich nach guter Sitte mit dem Richtfest bei den fleißigen Handwerkern. Viele Hospizlerinnen sind gekommen, ist es doch auch ihr zukünftiges Haus. Zusammen mit einigen Nachbarn verfolgen sie die Zeremonie.

Hoch oben in der offenen Gaube stehen Zimmermeister Malte Sucker und Polier Thomas Bebermeyer in chicer Zunftkleidung. Auch Vorstandsmitglied Werner Schilli und Klaus-Martin Jungkurth sind dabei. Sucker trägt mit kräftiger Stimme den ausführlichen Richtspruch vor (siehe unten). Und noch zwei weitere Rituale gehören zu diesem Festakt: Die vier Männer trinken einen Korn und schleudern das leere Glas ins Gebäude. „Scherben bringen Glück“, heißt es. Dann die Herausforderung für den Bauherrn: Er muss den letzten symbolischen Nagel ins Gebälk schlagen. Werner Schilli weiß: nur nicht krumm schlagen, lieber mit mehr Schlägen zum Ziel. Geschafft! Der Applaus der Gästeschar ist ihm sicher.

Für den Vorstand dankt Ulrike Jürgens allen Unterstützern: dem Architekten und den Planern, den Unternehmen und ihren fleißigen Handwerkern, den ehrenamtlichen Beratern und auch den vielen, die das Projekt durch Spenden erst möglich gemacht haben. Hier knüpft Bürgermeister Ivica Lukanic mit seinem Grußwort an: Das HospizZentrum ist ein Projekt, das von vielen Bürgerinnen und Bürgern getragen wird. Es wird auch zukünftig auf Spenden angewiesen sein.

Heute haben wir Gäste erstmals die Möglichkeit, den beeindruckenden Rohbau von innen zu besichtigen. Architekt Bernd Grigull und Bauberater Klaus-Martin Jungkurth führen in kleinen Gruppen vom Keller bis zum Dachboden. Jeder Quadratmeter ist optimal ausgenutzt. Ich kann mir jetzt schon sehr gut vorstellen, wie schön das zukünftige Hospiz nach Fertigstellung sein wird.

Draußen wartet ein Stand mit Bratwurst, etwas Veganem und Getränken. So gibt es noch viele anregende Gespräche mit Handwerkern, Ehrenamtlichen, Nachbarn…

Ich habe das Glück, auch mit Zimmermeister Malte Sucker ins Gespräch zu kommen. Für ihn und die anderen Handwerker ist diese Baustelle etwas ganz Besonderes. Sie sind stolz, dass sie mit ihrer wertvollen Arbeit dazu beitragen können, ein wunderschönes Hospiz für sterbenskranke Menschen zu bauen.

Text und Fotos: Eva-Christina Galanulis

 

Mit freundlicher Genehmigung von Malte Sucker ist hier der Richtspruch nachzulesen:

Mit Gunst und Verlaub!

Die Feierstunde hat geschlagen,
es ruhet die geübte Hand.

Nach altem Handwerksbrauch und guter Handwerkssitte
halte ich den Richtspruch von des Daches Mitte.
Doch bevor nun meine Worte fließen,
möchte ich alle Anwesenden recht herzlich grüßen.

Nach manchem Hieb und manchem Schlag,
nach manchem heißen und auch nassen Arbeitstag
wollen wir heute einmal innehalten
und das Baugeschehen rückwärts leiten.

Durch viel fleißiges Ehrenamt im Hospizverein
trafen für das Projekt zum Glück viele Spenden ein.
Allen Spendern möchten wir heut‘ danke sagen,
die so zum guten Gelingen haben beigetragen.

Das Gutshaus Wendessen soll das HospizZentrum Wolfenbüttel sein,
so stieg man kühn in die Planung ein.
Um den Bestand mit Zweck und Architektur zu verbinden,
war’s nicht immer leicht, die richtige Lösung zu finden.
Doch die Herren Grigull und Burmann haben feine Bauweis‘ gut studiert
und nach bestem Wissen dieses Bauwerk geplant und konstruiert.
Das Statikbüro wurde eilig dazu bestellt,
den Bau zu planen, damit nichts zusammenfällt.
Herr Wagenführer – Gott hab ihn selig! – berechnete gewissenhaft
Momente, Pressung, Last und Kraft.

Doch nichts wär‘ hier geschehen,
würde ich hier keinen vom Handwerk sehen.
Was nützt’s, wenn’s geistig ist erdacht
und niemand dann die Arbeit macht…

Nach dem Abriss konnten die Maurer ihre Kunst hier zeigen,
und das Bauwerk begann auf seinem Fundament zu steigen.
Gemauert wird und abgezogen,
betoniert bis ganz nach oben.
Der Treppenturm wuchs in seiner Bretterschale
von einem zum anderen Male.
Und eines Tages kommt herbei
die lang ersehnte Zimmerei.
Durch Meister- und Gesellenhand
ein Dachstuhl mit vielen Gauben hier entstand.
Und auch das Dach wird so in Form gefügt,
dass es dem Schönheitssinn genügt.
Dann dürfen andere Gewerke noch vollenden
den Bau mit ihren kunstgeübten Händen.
Schmückt das Innere sorgsam aus,
dann wird’s fürwahr ein stattlich Haus.
Eine Heimat soll es bieten den Schwachen und Kranken.
Sie werden es uns sicherlich danken.
Allen, die in diesem Haus
gehen in Zukunft ein und aus,
wünsche ich viel Kraft und Freude
und stets Geduld mit allem Leide.
Vor allem unseren kranken Menschen
soll der Herrgott hier seinen Segen schenken.

Drum wünsche ich, so gut ich’s kann,
so kräftig wie ein Zimmermann,
mit stolz emporgehobenem Blick
dem neuen Hospiz recht viel Glück.
Der Herrgott möge diesen Bau bewahren
vor Feuer, Sturm und anderen Gefahren.
Drum trink‘ ich hier mein Gläschen aus
und werf’s zu Scherben in das Haus.
Glas, zerschelle im Grund,
der Bau ist geweiht zur Stund‘.

Prost!