Immer wenn ich gesägte Baumscheiben mit Jahresringen entdecke, denke ich an das Gedicht von Rainer Maria Rilke. Dort heißt es:

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang,
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

Was für eine bildreiche Beschreibung und Auseinandersetzung des lyrischen Ich mit Höhen und Tiefen im Leben. Auch eine Suche nach der eigenen Identität und ein Rückblick auf das Leben.

Aus der Anzahl und den Abständen von Baumringen kann man Rückschlüsse auf das Leben eines Baumes ziehen. Wie alt ist er geworden? Hat er Verletzungen oder Dürrezeiten erlebt?

Eine schöne Metapher, denke ich. Wie sieht es mit unseren „Lebensringen“ aus? Auch in unserem Leben gibt es Wüstenzeiten, Krankheiten, Lebenskrisen, Höhen und Tiefen. Mit jedem Jahresring werden wir reicher an Erfahrungen. Das macht das Leben individuell und wertvoll!

Text und Fotos: Eva-Christina Galanulis